I. Ein Bundesland wächst heran. 1919 - 1934

Im Friedensvertrag von St. Germain wurden Österreich 1919 die westlichen Teile der Komitate Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg zugesprochen. Das war ein Gebiet mit einer Fläche von 4320 km2 und einer Gesamtbevölkerung von 340.000 Menschen. Ödenburg sollte die Hauptstadt dieses „Burgenlandes“ werden. Der Name wurde seit den Friedensverhandlungen öffentlich verwendet.
Ungarns Widerstand gegen diesen Anschluss war heftig. Das Gebiet Westungarns war schon Jahre vor dem Ersten Weltkrieg umstritten. Bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wollten deutsch-nationale Kreise, die österreichisch-ungarische Monarchie umgestalten und „Westungarn“ als Teil von „Deutschösterreich“ eingliedern.

Der Zerfall der Habsburgermonarchie machte aus dieser Intellektuellenfrage ein Existenzproblem für die Bevölkerung Westungarns. Am 16. November 1918 wurde die ungarische Republik ausgerufen. Wenige Tage später, am 22. November, stellte die Provisorische Nationalversammlung der proklamierten Republik Deutschösterreich in ihrer Staatserklärung fest: „Die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete der Komitate Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg gehören geographisch, wirtschaftlich und national zu Deutschösterreich,...“ (Zit. nach August Ernst, Geschichte des Burgenlands, 187).

Die folgenden Jahre waren geprägt vom Streit zwischen Österreich und Ungarn um das Burgenland. Schließlich musste Ungarn auf Druck der Siegermächte der Übergabe zustimmen, als Datum wurde der 28. August 1921 offiziell festgelegt. Die Österreicher stießen beim Einmarsch allerdings auf bewaffneten Widerstand ungarischer Freischärler und mussten sich wieder zurückziehen. Erst im Herbst kam es zu einer Kompromisslösung: Die bewaffneten ungarischen Einheiten zogen ab, Österreich stimmte dafür einer Volksabstimmung in Ödenburg und acht benachbarten Gemeinden zu.

Mitte Dezember 1921 wurde in aller Eile und unter fragwürdigen Bedingungen in Ödenburg abgestimmt. 72,8 Prozent stimmten für einen Verbleib bei Ungarn. Die anderen 8 Gemeinden stimmten einen Tag später zwar mit 54,6 Prozent für Österreich, wurden aber im Rahmen der Gesamtabstimmung dennoch Ungarn zugeschlagen.
Um die Jahreswende 1921/22 kam das Burgenland offiziell als „selbständiges, gleichberechtigtes Bundesland“ zur Republik Österreich. Wenige Wochen zuvor hatte das jüngste Bundesland Österreichs eine eigene Zeitung erhalten, die über viele Jahrzehnte die Geschichte des Burgenlands dokumentieren und kommentieren sollte: Das Wochenblatt „Burgenländische Freiheit – Sozialdemokratisches Landesorgan“ erschien erstmals am 19. November 1921.


NR. 19, 08.05.1925
Eisenstadt - Sitz der Landesregierung
Nach seiner schwierigen Geburt muss sich das Burgenland nun als vollwertiges Bundesland etablieren und seine Existenz politisch, administrativ und wirtschaftlich aufbauen. In den nächsten beiden Jahren wird zunächst der Grenzverlauf genau festgelegt. Letztendlich erhält das jüngste Bundesland 3965,5 km2.
Erschwert wird die Identitätssuche dieses Landes durch die prekäre wirtschaftliche Situation und die Massenabwanderung, insbesondere in die USA. Diese Emigrationsbewegung hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, der Höhepunkt ist allerdings 1923. Alleine in diesem Jahr wandern 6800 Burgenländer aus. Das zeugt nicht vom Glauben an die Zukunft dieses neuen Bundeslandes.

Am 18. Juni 1922 findet die erste Landtagswahl statt. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gewinnt mit relativer Mehrheit, erster Landshauptmann wird im ersten Jahr der parteilose Alfred Rausnitz, ihm folgt Adolf Walheim von der Großdeutschen Volkspartei. Die Landesbehörden müssen provisorisch untergebracht werden, da die geplante Hauptstadt Ödenburg bei Ungarn verblieben ist.
Schon im Herbst 1923 kommt es zu Neuwahlen, die die Christlichsoziale Parte gewinnt. Der dritte Landeshauptmann im gerade mal zwei Jahre alten Bundesland wird der Christlichsoziale Josef Rauhofer. 1925 setzt sich Eisenstadt in einer Kampfabstimmung gegen die anderen Kandidaten Bad Sauerbrunn, bis dahin Sitz der Landesregierung, Mattersburg und Pinkafeld als Landeshauptstadt durch.


NR. 6, 04.02.1927
Die Schüsse von Schattendorf
Ausgerechnet das ansonsten nach außen hin unauffällige Burgenland wird im Jahr 1927 zum Symbol für den Niedergang der Demokratie in Österreich: Die „Schüsse von Schattendorf“ fallen am 30. Jänner 1927 bei einem Zusammenstoß der rechten Frontkämpfervereinigung mit dem sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund. Ein Kriegsinvalide und ein Kind werden in Schattendorf auf sozialdemokratischer Seite getötet. Der Freispruch der Angeklagten in Wien führt zu großen Tumulten am 15. Juli 1927, bei denen der Justizpalast in Brand gesteckt wird. 90 Menschen sterben.
Im selben Jahr gelingt es dem Burgenland aber auch, sich als Erholungsgebiet für die nahe Bundeshauptstadt zu präsentieren. Erstmals wird mit dem Neusiedler See als „Meer der Wiener“ geworben. Unterstützt werden diese ersten Bemühungen um Touristen von den Österreichischen Bundesbahnen, die einen durchgehenden Zugsverkehr von Wien nach Neusiedl am See einrichten – die „Bäderbahnen“.
Allmählich hat das Burgenland alles, was ein Bundesland braucht: Am 14. Dezember 1929 wird in Eisenstadt das neue Landhaus als Sitz des Landtages und der Landesregierung feierlich eröffnet.


NR. 20, 23.05.1929
Forderung nach Bodenreform
In den Folgejahren wird die Wirtschaftskrise immer schlimmer, die allgemein geforderte Bodenreform bleibt aufgrund der schwierigen Eigentumsverhältnisse – fast ein Viertel des Bodens gehört knapp einem Dutzend Großgrundbesitzern – ein Lippenbekenntnis. Im Jahr 1929 gibt es im Jahresdurchschnitt 4593 Arbeitslose, 1933 sind es bereits über 8000. Die politischen Gegensätze verschärfen sich auch im Burgenland. Die Heimwehr wird immer mächtiger, und es entstehen weitere rechte paramilitärische Verbände wie die „Burgenländischen Landesschützen“ oder der „Österreichische Heimatschutz im Burgenland“. Immer wieder kommt es auch schon zu Konflikten, bis hin zu blutigen Auseinandersetzungen, mit Nationalsozialisten.

Der 12. Februar 1934 verläuft im Burgenland unblutig. Die Austrofaschisten besetzen innerhalb kurzer Zeit die wichtigsten politischen Positionen. Am 22. Februar wird der Führer der „Vaterländischen Front“, Hans Sylvester, Landeshauptmann. Die ständische Verfassung tritt auch im Burgenland in Kraft. Die anderen Parteiorganisationen werden aufgelöst, ihre Medien eingestellt. Auch die „Burgenländische Freiheit“ wird verboten, ein paar illegale Nummern erscheinen aber.
Widerstand gegen das austrofaschistische Regime wird in den Folgejahren auch im Burgenland streng geahndet. So wird etwa der Sozialist und spätere Landtagsabgeordnete und Landesrat Stefan Billes 1936 im Anhaltelager Wöllersdorf interniert.

Geschichte des Burgenlandes

  • I. Ein Bundesland wächst heran

    Zur Jahreswende 1921/22 kommt das Burgenland als „selbständiges, gleichberechtigtes Bundesland“ zur Republik Österreich. Die ersten Jahrzehnte sind geprägt von wirtschaftlichen Problemen und Identitätssuche.
    Erste Ansätze, sich als Naherholungsgebiet für die Wiener zu präsentieren, sind erfolgreich. 1934 wird auch hier die Demokratie abgeschafft, die Austrofaschisten übernehmen wie in ganz Österreich die Macht.

  • II. Das Burgenland zur Zeit des II. Weltkrieges

    Das Burgenland wird nach Machtübernahme der Nazis zwischen dem Gau Niederdonau und der Steiermark aufgeteilt. Nicht-Arier und politische Gegner werden wie im ganzen Reich verfolgt.
    Zu den Opfern der nationalsozialistischen Massenvernichtungspolitik gehören außer den Juden auch die Roma und Sinti. Am 29. März 1945 überschreitet die Rote Armee die Grenze des ehemaligen Burgenlandes.

  • III. Am Rand Europas

    Die Folgen des verheerenden Kriegs und die sowjetische Besatzung machen den Neuanfang schwierig. 1956 leisten die Burgenländer dennoch großzügige Nachbarschaftshilfe, als Zigtausende Ungarn über die Grenze fliehen.
    Die Errichtung des Stacheldrahtzauns isoliert das Burgenland. Ende der 50er /Anfang der 60er Jahre geht es aber wirtschaftlich deutlich aufwärts, damit einher geht auch ein Aufschwung in Kultur und Wissenschaft.

  • IV. Zurück ins Zentrum Europas

    Der Höhenflug hält – unterbrochen von Skandalen in den 80er Jahren - an. Endlich können auch die Volksgruppen im Burgenland wichtige Forderungen durchsetzen.
    Ein furchtbarer Schlag sind die Bombenanschläge von Oberwart und Stinatz 1995. Die Isolation des Burgenlandes wird um die Jahrtausendwende beendet. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs rücken der EU-Beitritt Österreichs und vor allem die EU-Osterweiterung das Burgenland wieder in die Mitte Europas